DAS GETRÄNK AUS ECHTEM GINSENG (Code 822) – Ren Shen
Es war einmal ein alter Jäger, der hatte zwei Söhne. Schon von klein an lehrte er sie, das Wild zu jagen. Die Jungen waren munter und eines Tages entschieden sie sich, zum ersten Mal allein zur Jagd aufzubrechen. Der Vater warnte sie jedoch, dass sie auf die Zeit nach dem Winter warten sollten, denn der Winter kann im Gebirge sehr trügerisch und gefährlich sein. Die beiden Brüder wollten sich ihre erste große Expedition aber um keinen Preis ausreden lassen.
Anfangs verlief die Wanderung wie geschmiert. Die Wiese, die sie aus der Kindheit kannten, wurde bald von den Feldern und Weiden der jungen Abenteurer abgelöst. Als sie jedoch den Fluss über den Damm aus angeschwemmten Holz überwanden, gerieten sie in einen Wald, in dem sie früher nie gewesen waren, nicht einmal mit dem Vater. Die Gebrüder freuten sich, dass sie hier genug Wild für das ganze Dorf jagen würden. Der Charakter des Weges zwischen den dichter werdenden Bäumen veränderte sich jedoch. Der geheimnisvolle Forst wurde dunkel, die Tierspuren verschwanden und auch die Vögel sangen nicht mehr. Weder der Ausblick aus den Baumkronen, noch das Spitzen der Ohren in alle Himmelsrichtungen halfen ihnen. Sie gingen weiter entlang den Flechten, bis sie langsam in nebelige Höhen aufstiegen.
Eine Woche später aßen sie in den Bergen ihre letzten Vorräte und ihre ausweglose Situation begann wirklich kritisch zu werden. In ihrer Verzweiflung suchten sie nach etwas Essbarem. Die Antwort auf ihre knurrenden Mägen war nur ein fernes Heulen. Es war jedoch kein Tier, sondern die Windsbraut, die sich auf den Berghängen tummelte.
Plötzlich fiel vom Himmel unerwartet viel Schnee nieder. Durch die dichte Mauer aus Schneeflocken konnte man die Hand vor den Augen nicht sehen. Die Gebrüder konnten sich nicht einmal umsehen und alle Pässe im Gebirge wurden verschüttet.
Es war fast unmöglich, unter solchen unerfreulichen Bedingungen zu überleben. Aus reiner Verzweiflung begannen sie im Schnee und Boden darunter mit bloßen Händen zu scharren. Und sieh da, es erschienen Wurzeln einer seltsamen Pflanze.
Wie mit Manna der Götter ernährten sich die Gebrüder mit den nahrhaften Wurzeln den ganzen Winter lang, und als im Frühling der Schnee in den Pässen endlich taute, brachen sie in die Wärme ihres Zuhauses auf.
Als die Dorfbewohner sie erblickten, dachten sie, dass ihre Sinne sie täuschen. „Wie habt ihr das nur geschafft, allein im Gebirge zu überleben?“, fragte der Älteste. Und die Gebrüder zeigten allen die Wurzel einer Pflanze, die seit Menschengedenken noch niemand gesehen hatte. Die Wurzel war mächtig und in ihrer Form war sie einer breitbeinigen menschlichen Figur ähnlich. Sie standen dann wie die Wurzeln und sagten: „Als uns der weiße Tod im Gebirge schon längst in seine Arme nehmen wollte, fanden wir diese merkwürdigen Wurzeln. Wir mussten sie mit gemeinsamen Kräften aus der Erde roden, die Mühe lohnte sich jedoch reichlich. Sie sind sehr sanft und schmecken süß, nur etwas bitter. Unsere Kraft war schon nach ein paar Tagen zurück, und jetzt nach der Rückkehr fühlen wir uns besser als je zuvor.“
Schon in den ersten Winterwochen hatten alle den Stock über das Leben der beiden Jungen gebrochen. Nur für den Vater war das glückliche Treffen keine Überraschung. Er war die ganze Zeit überzeugt gewesen, dass die Söhne sich in den Bergen allein zu helfen wissen.
Seit damals wird der echte Ginseng sowohl bei Männern als auch Frauen auch „menschliche Essenz der Sterne“ genannt, denn seine Wirkungen haben keine Analogie.
Aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin verstärkt Ren Shen (Ginseng radix) mangelnde angeborene Essenz, verstärkt Qi der Milz, des Magens, der Lungen und des Herzens, und beruhigt den Geist. Es ist beispielsweise Bestandteil der Kräutermischung Getränk aus echtem Ginseng (Code 822).
In der modernen Medizin wird es als das stärkste Tonikum für die hektisch lebenden Menschen, zur Therapie bei der Hypotonie oder zur Therapie beim chronischen Ermüdungssyndrom genutzt.
Nähere Informationen über die traditionelle chinesische Medizin entnehmen Sie den Büchern Auf der Welle der chinesischen Medizin (2002) und Von der Quelle der chinesischen Medizin (2007).
MUDr. Petr Hoffmann